Bericht Junioren EM 2011 - Thomas Ramseyer - swissbillard.ch
Letzte Woche ging in Luxemburg die Europameisterschaft der Jugend im Pool-Billard über die Bühne. Aus der Schweiz waren drei Schüler (Daniel und Michael Schneider sowie Nicolas Ernst) und Stephanie Keiser mit dabei. Junioren wurden keine gesandt. Nebst den Einzelwettbewerben spielten die die drei Schüler auch im Team. Um Medaillen vermochten die Schweizer Sportler nicht zu kämpfen. Die besten Klassierungen erreichten Daniel Schneider und die Tochter des scheidenden Jugend-Obmanns André Keiser, Stephanie, mit einem 5. Rang im 9er Ball, respektive 10er Ball (Stephanie).
André Keiser, der die vier Jugendlichen nach Luxemburg begleitete, hat einen Tag-für-Tag Bericht verfasst, der als PDF heruntergeladen werden kann (Bericht André Keiser). Thomas Overbeck schrieb jeden Tag kleine Zusammenfassungen, aber man müsste schon ein Jugend-Pool-Insider sein, um den Überblick zu behalten.
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Das Schüler-Team aus der Schweiz. von Links: Daniel Schneider und sein jüngerer Bruder Michael, Nicolas Ernst.
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Schüler
Auffallend war, dass der dreizehnjährige Deutsche Schüler Joshua Filler, der im Februar an der Eurotour Dimitri Jungo geschlagen hat und vor ein paar Monaten an den Deutschen Jugendmeisterschaften vier Goldmedaillen! gewann , in Luxemburg "nur" zweimal Silber holte (8er und 9er Ball). Der erfolgreichste Schüler in Luxemburg war der Russe Vitaly Pavlukhin, der zwei Gold- und eine Silbermedaille sicherte - Teamkollege David Maslov gewann die beiden anderen Goldmedaillen. Russland dominierte bei den Schülern nach belieben.
Junioren - Ederer vom EPBF disqualifiziert
Bei den Junioren gab es einige international bekannte Spieler wie Mario He (Aut) oder die deutschen Lars Kuckherm und Manuel Ederer. Für letzteren lief die Meisterschaft überhaupt nicht nach Wunsch, weder auf dem Tisch noch daneben. Nach einem nicht weiter bekannten Zwischenfall wurde er vom EPBF disqualifiziert und von restlichen Turnier verbannt. Kucki Kuckherm gewann im 8er Ball, wurde zweiter im 9er, dritter im 14-1 und fünfter im 10er Ball. Damit war er mit Abstand der beste Junior dieser EM. Der österreichische Internationale Mario He indes blieb auf der ganzen Linie hinter den Erwartungen zurück.
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Stephanie Keiser, eines von 18 oder 19 Mädchen, das in Luxemburg um eine Medaille im Poolbillard spielte. Spielen Mädchen unter sich, weil sie gegenüber den Knaben benachteiligt wären wenn die Meisterschaften gemischt gespielt würden??
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Mädchen - keine zwanzig Spielerinnen
Während bei den Schülern und Junioren jeweils um die fünfzig Spieler pro Disziplin angetreten waren (im 14-1 waren es bei den Schülern nur 24) hatten die Mädchen in keiner Disziplin mehr als 19 Wettkämpferinnen.
Wie ihre Kameraden bei den Schülern hatten die russischen Mädchen in ihrer Kategorie stets das Sagen. Im 8er Ball gewannen sie alle Medaillen, im 9er und 10er je zwei.
Warum die Mädchen 9er und 10er Ball spielen aber nicht 14-1 ist nur schwer nachvollziehbar. Beim 14-1 hätten sie eine Möglichkeit ihr Niveau objektiv zu vergleichen (auch mit den Junioren und Schülern).
Aufwand und Ertrag
Nach der Jugend stehen nun die Senioren eine Woche lang an den Tischen in Luxemburg. Alle Pool-Meisterschaften sind monströse Anlässe. Vier Disziplinen (9er und 10er Ball - ob wohl bald auch noch 11er dazukommen wird..? 11er ball nach den Regeln von 9er Ball wäre sicher ein weiteres "komplett anderes" Spiel! das Pool endlich den Durchbruch brächte) sechs Kategorien (wann starten die Seniorinnen??). Man müsste annehmen Pool-Billard sei in Europa Volkssport Nummer Eins.
Dass dies nicht so ist, wissen wir alle. Warum die Meisterschaften nicht den herrschenden Umständen angepasst werden weiss keiner. Müssen wirklich so viele Disziplinen gespielt werden? Sind die vielen Kategorien zwingend wenn der 13 jährige Filler den internationalen Dimitri Jungo an der Eurotour schlägt? Klar, wenn man es sich leisten kann, sind viele kleine Feste eine tolle Sache - aber Pool kann es sich schon lange nicht mehr leisten und die Nachfrage hinkt dem Angebot auch um Längen hinter her wie die bescheidene Anzahl der Spieler oft zeigt.
Viele Schachclubs in der Schweiz haben eine grössere Jugendabteilung als der gesamte Schweizerische Billardverband (sämtliche Billardarten eingeschlossen!). Es ist zweifelsfrei weniger interessant eine regionale Jugendmeisterschaft aufzubauen als an eine Europameisterschaft zu reisen. Dennoch wird Billard (egal ob Pool, Carambole, Snooker oder was auch immer) erst dann wieder ein richtiges Wachstum erleben, wenn es bei uns auch lokale Meisterschaften gibt. Das gilt für alle Altersgruppen, aber für die Jugend ganz besonders.
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Ist Billard ein Sport oder bloss ein Spiel? Sind Billardspieler Sportler oder vom Typ her eher Gambler (auf dem Bild Dimitri Jungo gegen Shane van Boening an einem 5'000 $ Winner-Take-it-All Spiel auf 50 Siege, das van Boening 49:50 gewann). Wenn Billard ein Sport sein soll, braucht es auch die Strukturen eines Sportverbandes. Wenn sich Billardspieler selber nicht als Sportler verstehen, braucht es auch keinen Sportverband.
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Wenn Jugendliche für eine Sportart begeistert werden sollen, müssen sie in einen Spielbetrieb in ihrer Nähe eingebunden werden können. Der Jugendobmann André Keiser ist vor ein paar Wochen zurückgetreten - Nachfolger ist Sacha Volery, der dieses Amt schon einmal bekleidet hat. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Verantwortlicher auf nationaler Ebene irgendwas bewirken könnte, wenn lokal überhaupt keine Basis vorhanden ist. Es braucht einen Paradigmenwechsel, eine komplette Neuausrichtung, die in den Regionen ihren Anfang nehmen muss.
Wie weiter wursteln...?
Anstelle eines nationalen Jugendobmanns bräuchte der Billardverband vielleicht eher eine Kommission, welche neue Sportmodelle erarbeiten und entwickeln könnte, die sich am Vorbild anderer Sportarten orientieren. Oder wir können so weiterwursteln wie bisher. Dann wäre es aber ehrlicher und effizienter gänzlich auf eine Jugendsektion zu verzichten - oder sogar gänzlich auf einen Verband.
Vielleicht sind Billardspieler einfach keine Sportler, sondern schlicht Spieler - wie Pokerspieler. Dort gibt es, soweit ich es weiss, auch keinen Verband (es gab vor einer Weile einen Anstoss dazu). Pokerspieler betrachten sich nicht als Sportler und haben auch keinen Bock auf Nachwuchsförderung. Vermutlich gibt es dort auch keine Senioren und keine Damengruppen. Cash zählt und das ist ja wohl genau die Haltung der meisten Billardspieler der Schweiz (zumindest der Poolspieler). Jungo hätte an einer EM sicher gute Medaillenchancen - aber er zieht Turniere vor, bei denen es etwas zu gewinnen gibt. Das ist in Ordnung und legitim. Aber wer braucht dann noch eine Schweizer- oder Europameisterschaft?
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