Turnierbericht von Thomas Ramseyer - swissbillard.ch 3.11.2010
Letzte Woche fand die Eurotour in Albufeira, Portugal statt. Wie immer waren viele der Europäischen Pool-Elite am Start, das Niveau war ohne Zweifel hoch. Für Billardfans gibt es daran nichts auszusetzen. Wenn beim US Open Tennisturnier 128 Spieler genügen und beim World Snooker 96 braucht es beim Pool sicher nicht mehr. Der Unterschied: Beim Pool sind nach wie vor Startgelder für die Finanzierung des Preisgeldes unabdingbar. Dieser ewige Stolperstein muss überwunden werden.
Zunächst zur sportlichen Seite. Aus der Schweiz war lediglich Jonni Fulcher gen Süden gereist. Er startete das Turnier ausgezeichnet mit zwei Siegen, den zweigen gegen Mario He 9:2. Am Tag darauf lief es nicht mehr wie gewünscht und Fulcher scheiterte kurz vor der Finalrunde nach Niederlagen gegen den Esten Denis Grabe und Helmut Heck.
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Der 31 jährige ehemalige "British 8-Ball" Meister Chris Melling gewann seine erste Goldmedaille an einer Eurotour. Zweimal wurde er dieses Jahr dritter und ist damit hinter Karl Boyes gegenwärtig klar der zwitbeste Spieler der Tour. |
Die Deutschen waren wie gewohnt stark und zahlreich im Rennen. In der Finalrunde stellten sie praktisch ein Drittel des Feldes und sie waren weiter erfolgreich, einzig Ralf Souquet musste sich Scott Higgins geschlagen geben. Im Viertelfinale waren von den Deuschen noch immer Ortmann, Engert und Vogel dabei - und keiner konnte einen Sieg buchen. Chris Melling schlug Weltmeister Ortmann 9:7, Vogel unterlag dem Polen Skowerski 9:6, Engert zog gegen den Holländer Huidji See den kürzeren 9:7, und in der letzten Partie gewann Carlos Cabello gegen Scott Higgins 9:5.
Karol Skowerski hatte keine Chance gegen Chris Melling, der ihm nur ein einziges Spiel liess. Für den 26 jährigen Polen ist dieser dritte Platz in Portugal das beste bisherige Resultat an einer Eurotour. Das zweite Halbfinale war knapper. Der wenig bekannte Carlos Cabello schlug See mit 9:8 und einmal mehr muss man sich wundern, weshalb bei Spitzenspielen nicht wenigstens eine zwei Punkte Differenz Regel angewendet wird, wie dies vor zwei Wochen an den US Open der Fall war.
Im Finale unterstrich Chris Melling seine gegenwärtige Topform mit einem klaren 9:4 Sieg gegen Carlos Cabello. Der 31 jährige Engländer, der früher auch auf höchstem Niveau Englisches 8-Ball spielte, holte sich mit dem ersten Platz bereits die dritte Medallie an einer Eurotour in diesem Jahr. In Italien und in Sankt Johann kam er jeweils bis in den Halbfinale. Melling liegt nun hinter seinem Landsmann Karl Boyes auf dem zweiten Platz der Eurotour Rangliste.
Boyes erreichte in Portugal nur den 33. Platz nach zwei 9:8 Niederlagen gegen Mario He und Florian Hammer.
Wie lange wird die Eurotour auf diese Weise noch durchhalten? Es ist immer weniger klar, welche Strategie die Eurotour Organisatoren eigentlich verfolgen. Die Eurotour ist mit Abstand die wichtigste Serie im Europäischen Pool Billard, aber sie findet kaum mehr mediale Beachhtung. Berichterstattungen fehlen überall. Weder auf AZ-Billiards noch bei Inside-Pool gab es eine Kurznachricht. Das Britische Online-Magazin Pro9 brachte eine Meldung und von dort stammt auch das obige Bild von Chris Melling - auf der Webseite von Eurotour sucht man vergeblich nach weiteren Bildern.
Wie lange werden die Sponsoren der Tour noch bereit sein, diese teure Veranstaltung weiter zu führen? Gibt es ein Konzept, welches die Eurotour zu dem machen würde, was es eigentlich sein sollte: Eine Professionelle Tour für die Besten der Europäischen Poolszene, für die man sich qualifizieren muss und an der nicht einfach jeder teilnehmen kann. Die Finanzierung muss endlich losgelöst werden von den Startgeldern der Spieler, dann spielt es auch keine Rolle ob an der Eurotour die 32, 64 oder 128 Besten am Start stehen. Im Gegenteil. Bei einem kleineren Feld wären die Kosten deutlich geringer und der Ansporn mit dabei sein zu können gewiss grösser.
Am kommenden Wochenende startet die neue Deutsche Bundesliga mit vorzüglich organisierter Live-Übertragung aus Stuttgart. Es werden natürlich nicht hunderte von Spielern zu sehen sein, aber wozu auch. Die Qualität der Partien zählt, nicht die Menge. Wer schon mal an einem Grand-Slam Tennisturnier zugegen war, konnte feststellen, dass auf einem der vielen Plätze um die Center-Courts herum, Spiele zwischen der Nummer 72 und der Nummer 96 der Weltrangliste unter den Augen einiger Freunde und Familienmitgliedern gespielt werden. Davon sehen wir im Fernsehen freilich nichts, denn dort wollen wir - verständlich - nur die besten Partien.
Eine echte professionelle Eurotour wäre möglich. Allfällige Einschnitte zu Beginn müssen in Kauf genommen werden. Vier spannende Turniere mit den besten 32 oder 64 Spielern wären dem Sport förderlicher als acht Events, die nirgendwo Beachtung finden. Alle Wege führen nach Rom, aber ganz sicher führen nicht alle Wege nach Albufeira. 99 Euro für ein Wochenende Spitzenpool sind dagegen reizvoll. Stuttgart, ich werde dabei sein!
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