Dienstag, 17. Februar 2009  |  3956 x gelesen  |  2 Kommentare
 
15-jähriger landet Coup in Paris!
 
Text: Achim Gharbi, Fotos: Helga Ackermann, www.touch-magazine.net

Unbekümmertheit befördert jungen Österreicher Mario He ins Finale der Dynamic-Eurotour / Niels Feijen gewinnt

Der Niederländer Niels Feijen hat die erste Dynamic-Eurotour des Jahres in Paris gewonnen und sicherte sich mit diesem Erfolg auch den Platz an der Sonne in der aktuellen Europa-Rangliste. Runner-Up und Zweitplatzierter wurde sensationell der erst fünfzehnjährige Österreicher Mario He, der mit seinem unbekümmerten Spiel die Herzen des Pariser Publikums im Sturm erobern konnte. Die beiden dritten Plätze gingen an den Deutschen Ralf Souquet und den Polen Thomasz Kaplan.


Mit 235 Teilnehmern aus 33 Nationen waren die Dynamic French- Open zwar nicht restlos ausgebucht, sie waren aber wieder einmal in Punkto Turnierorganisation und spielerischer Klasse das Maß aller Dinge im europäischen und wahrscheinlich auch im weltweiten Poolsport. Wieder einmal hatte sich die Creme de la Creme eingefunden, um sich mit den Newcomern aus vielen Teilen Europas zu messen und um 40.000 Euro Preisgeld zu kämpfen. Nicht immer konnten sich hier die Favoriten durchsetzen; viele Stars gingen unfreiwillig baden.

So überstanden einige Topspieler nicht einmal die Vorrunde in der härtesten Serie der Welt. So flog Tom Storm bereits nach zwei Partien aus dem Wettbewerb und verfügte somit über ausreichend Zeit, die Sehenswürdigkeiten der schönsten Stadt der Welt zu genießen. Konstantin Stephanov, Harald Stolka und Oliver Ortmann erging es nicht viel besser: sie schieden ebenfalls sang- und klanglos in der Vorrunde aus. Auf der Strecke blieb auch überraschend Titelverteidiger Tony Drago. In der entscheidenden Partie zum Einzug ins Single-Out verlor er gegen den Spanier Rafael Guzmann knapp mit 8:9 und durfte sich wie auch der amtierende Europameister Stephane Cohen, der gegen Markus Juva mit 1:9 unter die Räder kam, den weiteren Turnierverlauf von der gut besuchten Tribüne aus ansehen.

Weitere Überraschungen blieben im Single-Out der besten 32 nicht aus. Der Deutsche Christoph Reintjes rang in einer dramatischen Partie den Briten Imran Majid mit 9:8 nieder, während Ramazan Dincer seine ganze Klasse mit einem 9:7-Sieg gegen Thomas Engert unter Beweis stellte. Mit einem dunkelblauen Auge ist in dieser Runde gerade noch der Weltranglistenerste Ralf Souquet davon gekommen. Er holte gegen den hochmotivierten Spanier David Alcaide schier aussichtslose Rückstände (3:7, 5:8) auf und zog mit 9:8 zum Leidwesen der spanischen Fans ins Achtelfinale ein.

Unglaubliche Partien sahen die Zuschauer in Paris dann in der Runde der letzten 16. Was hier geboten wurde, war schlicht und ergreifend absolute Weltspitze und an Dramatik und Spannung nicht zu über bieten. Alleine vier von acht Partien endeten hier mit dem grausamsten aller Ergebnisse von 9:8! Kurioserweise lagen die meisten Unterlegenen dieser Partien hoch in Führung und konnten ihre Partien nicht ins Ziel retten. So verlor beispielsweise der Italiener Fabio Petroni sein Match gegen Ralf Souquet, nachdem er bereits mit 7:3 in Front lag. Ähnlich erging es dem Spanier Rafael Guzmann: Gegen Markus Chamat verspielte er eine 6:1-Führung und überlies dem Schweden die Partie und den damit verbundenen Einzug ins Viertelfinale. Mario He und Niels Feijen setzten sich mit überragenden Leistungen gegen die beiden Briten Scott Higgins und Daryl Peach durch und zogen ebenfalls in die Runde der besten acht ein. Ihnen folgte der Pole Thomasz Kaplan, der mit einem klasse Satz den Niederländer Nick van den Berg auf die Heimreise schickte.

So knapp und dramatisch das Achtelfinale auch verlaufen war, so eindeutig und klar waren die Verhältnisse im Viertelfinale geregelt. Souquet setzte sich ungefährdet gegen Chamat (9:5) durch, der Pole Thomasz Kaplan ließ Sandor Tot keine Chance (9:4), Niels Feijen degradierte Daryl Peach zum Statisten (9:4) und Mario He knüpfte an seine bislang gezeigten Leistungen an und zog mit seinem Sieg gegen Jonni Fulcher (9:7) sensationell ins Halbfinale ein. Mittlerweile füllten sich die Zuschauerränge rund um die Arena vor Ort und auch zu Hause an den PCs wurde es voll. Die Surfer des von bwin bereit gestellten Live-Streams stießen an ihre Kapazitätsgrenzen und waren zum Teil voll ausgelastet. Die Protagonisten der beiden Halbfinales: Feijen gegen Kaplan und Souquet gegen He. Die Wenigsten hatten Zweifel an dem Ausgang dieser Partien: Souquet gewinnt auf der einen Seite, Feijen auf der anderen. Das von Vielen im Vorfeld prognostizierte Traumfinale der beiden Weltmeister wäre perfekt gewesen.

Tja, wäre da nicht dieser junge ungestüme und respektlose Junge aus der Alpenrepublik gewesen. “Super”-Mario He begann das erste ET-Halbfinale seines Lebens da, wo er in seinen letzten zehn (!) Partien aufgehört hatte: Bei seinem respektlosem und frechem Spiel! Wie ein hungriges Raubtier auf der Jagd nach Beute tigerte er um den Tisch, jede gespielte Ablage von ihm kam Zentimeter genau, alle Partien, in der er am Tisch war kontrollierte er so, als spielte er einen munteren Trainingssatz in seiner Stammkneipe im Patricks in Rankweil. Seine Körpersprache sprach Bände! Souquet sah sich einem Dauerfeuer ausgesetzt. Er musste mit ansehen, wie Spiel um Spiel an den Jungen ging. He hatte bis zum 8:5 wohl vergessen, gegen wen er da eigentlich am Tisch um den Einzug in das Eurotour-Finale kämpfte - gegen die Nummer 1 der Welt, gegen den Kaiser, gegen Ralf Souquet.

Matchball He, vier Kugeln auf dem Tisch, lockere Trainingssituation für jeden Kreisligaspieler! He zögert einen Moment, es scheint, als wäre es ihm nun endlich eingefallen, wo und gegen wen er gerade agiert. Er wirkt jetzt nervös. Er locht die 6 zwar, verstellt sich aber prompt die Ablage auf die 7 und verschießt diese dann meilenweit um einen halben Diamanten. Souquet nimmt dieses Geschenk natürlich gerne an und sichert sich diese und auch die nächste Partie - er verkürzt auf 7:8. He ist in sich zusammengesackt und wird sich nun bewusst, wie nah er der Sensation war. He breakt, nichts fällt, Souquet ist am Tisch, kann zum 8:8 ausgleichen. Souquet arbeitet sieben Kugeln souverän ab, verstellt sich aber auf die 8. Er muss nun mit einem Laufball mit Effet über zwei Banden zur 9 gelangen, die in Höhe des Kopfpunktes liegt. Die Weiße läuft zu ihm viel zu lange und bleibt ihm als möglicher “Bande Mitte-Ball” liegen. Souquet entscheidet sich nach reifer Überlegung für direkt Mitte und setzt die 9 an die Außenkante des Mittellochs. Matchball Nr. 2: He nimmt sich nun viel Zeit, setzt zweimal ab, weiß er doch um die Wichtigkeit dieser einen Kugel, und senkt diese dann bombensicher. Er hat es geschafft, er hat den Weltmeister besiegt und steht als jüngster Teilnehmer aller Zeiten in einem Finale der Eurotour.

Auf dem Finaltisch wartete bereits der Niederländer Niels Feijen, der sich im zweiten Halbfinale mit 9:7 gegen Thomasz Kaplan durchsetzen konnte. Auch für Kaplan war das Erreichen des Halbfinales ein groß- artiger Erfolg. Sichtlich überrascht über seinen jungen Gegner begann Feijen das Finale verhalten und vorsichtig. Kein großes Risiko, Abtasten war angesagt, bloß den Gegner nicht in den gefürchteten Lauf kommen lassen. Und das mit Erfolg: Mario He fand nicht mehr zu seinem unbekümmerten und lockeren Spiel und zollte jetzt seinen fantastischen Leistungen der drei Tage von Paris Tribut. Er produzierte nun Schussfehler und sein Ablagespiel war ohne Bedrängnis ungenau. Feijen übernahm die Initiative und spulte sein Programm in überzeugender Manier herunter. Am Ende siegte der Holländer sicher mit 9:4.


Für Feijen war dieser Sieg in Paris ein weiterer Erfolg in seiner beeindruckenden Billardkarriere, für He drei unvergessliche Tage in Paris mit der Gewissheit viel Respekt und Symphatien erworben zu haben.

Text: Achim Gharbi
Fotos: Helga Ackermann

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