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Diskussionsforum
Hier wird diskutiert über alle Themen des Poolbillard-Sports.
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Freude am Billard
Geschrieben von:
EX PROFI

Geschrieben am: 24. August 2010 um 11:16 Uhr
 
Freude am Billard
 

Mich Interessiert was Ihr am Billardspiel besonders gern habt.

Warum gerade Billard?

Erzählt mal warum ihr welche Disziplin besonders mögt.

Warum veranstaltet Ihr soviele verschiedene Meisterschaften und Turniere?

 
Geschrieben von:
David Plattner

 
Geschrieben am: 25. August 2010 um 20:44 Uhr
 
 

Steve Mizerak hat auf die Frage, warum er sich ausgerechnet Poolbillard als Sport ausgesucht habe, einmal geantwortet: “Weil ich es gut kann.” Ich denke, letztlich bleiben wir alle an dem hängen, was auf die eine oder andere Weise zu uns passt – hoffentlich aus den richtigen, manchmal vielleicht auch aus den falschen Gründen.

Ich persönlich liebe Billard, weil es schwierig ist. In vielerlei Hinsicht besteht die Faszination darin, das Chaos zu ordnen und zu beherrschen – wichtiger aber ist, dass es im Billard unaufhörlich etwas zu lernen gibt. Soweit es mich angeht, ist Billard eine Metapher auf das Leben selbst.

Ausserdem dient mir Billard als meditativer Freiraum im Leben: der Ort an dem es mir manchmal (nicht immer, aber immer öfter) gelingt, völlige Jetzt-Bezogenheit auszuleben, also eins zu sein mit mir selbst. Das geht weit über die Frage hinaus, ob mir Stösse und Positionen “gelingen”, bzw. ob ich gewinne oder verliere. Mir geht Perfektion über alles. Im Billard bin ich wie der Koch, der selbst am besten weiss, ob seine Suppe versalzen ist oder nicht. Wenn “auf dem Papier” ein Erfolg zu verzeichnen ist, scheint mir dies allenfalls eine mögliche Folge von Perfektion, aber nicht das Ziel. Dieses besteht vielmehr darin, sich wahrhaft auszuleben. Billard mag demnach nur ein Mittel zum Zweck sein, aber dadurch, dass die Einheit von Körper und Geist fordert, erlaubt es einem auf spielerische Weise, sich selbst zu finden, und dabei eine Menge Spass zu haben.

Davon abgesehen ist Billard heilsam für die Psyche: man lernt, dass man an allem, was schief läuft, „selbst schuld“ ist. Dieses Wissen empfinde ich als enorme Erleichterung, mit zunehmender Erfahrung sogar als regelrecht entspannend. Die Frage nach “Glück” oder “Pech” stellt sich kaum jemals – das sind beliebig austauschbare Begriffe, die allenfalls auf die seltenen Ausnahmefälle anwendbar scheinen, von denen man glaubt, sie würden sich dem eigenen Einfluss entziehen (und selbst dann stellt sich noch die Frage, ob man diese Annahme richtiger- oder fälschlicherweise getroffen hat – ich selbst neige dazu, mir zu sagen, dass ich es hätte besser wissen müssen, dass es nie eine Entschuldigung gibt, und dass ich beim nächsten Mal besser vorbereitet sein müsste).

Mir gefällt zudem die Tatsache, dass man nicht gegen Mitmenschen vorgeht, sondern mit sich selbst, dem Tisch, der Lage der Bälle, der gegebenen Situation, den Umständen etc. ringt. Billard mag nichts für Streitlustige sein, aber es ist ideal für Menschen, die sich gern mit sich selbst beschäftigen.

Dieser Umstand erlaubt es einem im Gegensatz zu anderen Sportarten, auch zugunsten des “Gegners” positiv eingestellt zu sein. Man frönt gemeinsam dem Perfektionismus, beide verfolgen dasselbe Ziel, niemand steht einem dabei im Weg, ausser natürlich gelegentlich man selbst.

Unabhängig davon, ob man eher zu analytischem Denken oder Emotionalität neigt, man kann beim Billard viel über sich selbst lernen, vor allem bezüglich der Art und Weise, wie Körper und Geist mit- und zuweilen gegeneinander arbeiten. Man lernt gleichsam fürs Leben. 

Das mag nun alles etwas philosophisch daherkommen, aber Du hast gefragt, und dies ist meine Meinung. 

 

Was Deine Frage zu den einzelnen Disziplinen anbelangt, so liebe ich diese aus unterschiedlichen Gründen:

14/1-Endlos ist die Pool-Disziplin, mit der alles anfängt und aufhört. Hier lernt der Spieler fast alles, was es über Ballbeherrschung aller Bälle (Objektbälle und Weisse) zu wissen gibt, sowie Planung, Konzentration, Ausdauer, Selbsteinschätzung und vieles mehr. Lehrreich am 14/1 ist, dass es einfach scheint, weil man „jeden Ball spielen darf“, während einem in Wahrheit meist nur eine übersichtlich kleine Anzahl an sinnvollen Alternativen zur Verfügung steht, das langfristige Ziel zu erreichen. Die Lage der Bälle “diktiert” nicht wie im 9-Ball, was als Nächstes zu tun ist, es bleibt vielmehr der Interpretationsfähigkeit, Erfahrung und Kreativität des Spielers überlassen, immer wieder Lösungen zu finden, damit der goldene Zwirn der “Endlosigkeit” niemals reisst.

One Pocket ist weit mehr als eine Version von 14/1, in der beide Spieler bloss eine Tasche benützen dürfen. Es ist das variantenreichste, kreativste Spiel von allen. Spitzenspieler überraschen stets aufs Neue durch Einfallsreichtum und perfekte Ausführung von Stössen, deren Schwierigkeitsgrad jedes andere Poolspiel aussehen lassen wie Kinderkram. One Pocket ist zudem ein Poolspiel, in dem sich die Kontrahenten zumindest ansatzweise einen “Schlagabtausch” liefern, der demjenigen anderer Sportarten gleicht. Obschon man auch hier mit der Lage der Bälle und dem nächsten Stoss (also letztlich mit sich selbst) beschäftigt ist, geht es im One Pocket auch um Fragen wie “Wer ist schlauer?” etc. Von den mir bekannten Billardspielen gleicht es mehr als jedes andere einem Strategiespiel wie Schach.

Bank Pool ist ein Ansagespiel, in dem die Objektbälle über Bande gespielt werden (müssen). Ein weiteres Lieblingsspiel von mir, weil hier Instinkt gefordert ist, mehr noch als Wissen. Man kann soviel geometrische Überlegungen anstellen, wie man will, letztlich ist ein Ein- oder Mehrbänder eine Frage des Sich-Einfühlens – und wie ich es oben schon angesprochen habe, diese Beschäftigung mit der Gegebenheit und mit sich selbst, die ist es genau, die mich an diesem Sport so fasziniert.

9-Ball, 10-Ball und das beiden zugrunde liegende Rotation sind populär (letzteres vor allem auf den Philippinen), weil sie leicht zu verstehen und zu erlernen sind. Die Lage der Bälle kommuniziert dem Spieler unmittelbar, was als Nächstes zu tun ist. Rotationsspiele (= wo man „den Zahlen nach“ spielt) sind also vor allem eine Frage der Ausführung, die damit verbundene intellektuelle Leistung ist vergleichsweise gering. Das macht diese Spiele aber nicht weniger spannend oder lehrreich – ich liebe etwa die Herausforderung des Positionsspiels nach Zahlen. Es lohnt sich allerdings, mit einer etwas fatalistischeren Einstellung an diese Spiele heranzugehen. Besonders bei 9-Ball und 10-Ball ist es ja so, dass man, um zu gewinnen, den Gegner nicht wie 14/1 Ball für Ball übertreffen muss. Dort gibt es keinen anderen Weg, die Ziellinie zu erreichen, als die vorgeschriebene Anzahl Bälle (nämlich mehr als der Gegner!) zu versenken, bevor der Gegner dies tut. Rotationsspiele hingegen kann man ohne eigenes Zutun regelrecht geschenkt bekommen, wobei man im anspruchsvolleren Rotation zumindest die letzten fünf (also ein Drittel aller) Bälle braucht, um zu gewinnen. Im kleinen Universum der Billardsportarten befinden sich die Rotationsspiele im Poolbillard damit hart an der Grenze zwischen Sport und Spiel.

8-Ball ist vielleicht das Poolspiel, das die verschiedensten Herangehensweisen erlaubt. Man kann an 8-Ball mit der Veranlagung eines 14/1- oder 9-Ball-Spielers herangehen: also einerseits bis ins Detail planen und ausführen (mit Schlüsselbällen und – nach Möglichkeit mehrfachen – Sicherheitsventilen/-netzen), oder man kann genussvoll drauflos improvisieren – echte 8-Ball-Genies tun beides, und noch so einiges darüber hinaus (z.B. auch mal abspielen, wenn die Situation dies erfordert!). Es ist mit Abstand das grausamste aller Poolspiele – wie Steve Mizerak einst meinte, wird 8-Ball öfter verloren als gewonnen. Die Gründe dafür sind, dass ein Spitzenspieler fast unweigerlich den Punkt erreicht, an dem das Ausschiessen jeder Partie zum scheinbaren Normalfall wird (die Kunst besteht dann darin, sich nicht als Versager zu fühlen, wenn einem dies ausnahmsweise einmal nicht gelingt), und dass es unverhältnismässig viel leichter fällt, eine Partie „aus zweiter Hand“ zu gewinnen (ähnlich wie im Schach gewinnt zumeist, wem auf dem Brett noch mehr Spielfiguren zur Verfügung stehen). Aus diesem Grund macht 8-Ball mir persönlich fast nur dann richtig Spass, wenn der Druck hoch ist. Es in der Freizeit „nur so“ zu spielen, würde mir nicht im Traum einfallen.

Snooker ist, was das Positionsspiel anbelangt, repetitiv (alternierend Rot, dann Standardposition auf eine der wiederaufgesetzten “Farbigen” – dank der grossen Spielfläche für den Spieler ein weitaus geringeres Problem, als gewisse TV-Kommentatoren den Zuschauer dies glauben machen wollen) – die daraus resultierende Leichtverständlichkeit für Aussenstehende dürfte aber (neben der unbestreitbaren Eleganz des Spiels) einer der Mitgründe für dessen Popularität sein. Da fast jeder andere Aspekt (wie etwa das Safespiel) einfacher ist als im Poolbillard, macht Snooker letztlich die grösseren Streuungseffekte (kleinere, leichtere Bälle, grössere Distanzen) für einen Spielertypus interessant, den vorrangig die Schwierigkeit des Lochens/Versenkens der Bälle fasziniert. Snooker empfiehlt sich damit automatisch zum disziplinierten Üben einer makellosen Stosstechnik.

Carambole macht für einen Pool-Spieler wie mich abgesehen vom Bandenspiel die Beherrschung von Ball 2 attraktiv, da dieser in den Pocket-Billiards-Disziplinen als “Objektball” üblicherweise ja immer gleich vom Tisch “verschwindet” (für einen Poolspieler gleichsam „aus den Augen, aus dem Sinn“, sodass er dort allenfalls einen Störfaktor zu bilden scheint, weniger etwas, worüber es sich lohnen würde nachzudenken). Ausserdem bietet besonders das Dreiband-Spiel die vielleicht reinste Anwendung von Geometrie im Billardsport. Dennoch ist Carambole kein Spiel für Hirnlastige – auch hier ist es letztlich die Ausführung, die über Erfolg und Misserfolg entscheidet.

 

Was die von Dir angesprochenen Turniere und Meisterschaften anbelangt, sind es wirklich so viele? Was mich persönlich an sportlichen Wettbewerben anspricht, ist zum einen der Druck von aussen – ich scheine allmählich zu alt und bequem dafür zu werden, selbst noch welchen auf mich auszuüben. Zum anderen unterrichte ich das Spiel mindestens so gern, wie ich es spiele (da hab ich es dann mit dem Spruch von Steve Mizerak zu Anfang dieses Textes – anderen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ist nun mal, was ich am besten kann). Da schadet es nicht, ab und zu auch etwas Präsenz als Spieler zu zeigen (wobei ich nicht glaube, dass ein Lehrer oder Coach selbst „können“ muss, worin er andere unterstützt).

Ausserdem sind an Turnieren viele nette Leute anzutreffen, alte Bekannte genauso wie neue. Unzählige weitere Motive teilzunehmen sind denkbar – letztlich ist aber jeder Grund, Billard spielen zu gehen, ist ein guter Grund, nicht?

 

_________________

„J'ai gâché vingt ans de mes plus belles années au billard. Si c'était à refaire, je recommencerais.“ – Roger Conti

 
Geschrieben von:
EX PROFI

 
Geschrieben am: 25. August 2010 um 21:14 Uhr
 
 

Danke David für diese tolle Antwort. ich bin beeindruckt und ausserdem gratulation

zum Europameistertitel.

Ich wunsche Dir für dein Spiel das Beste und auch

neben dem Billardtisch viel Glück und Zufriedenheit.

 
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