Wir Schweizer sind zu verwöhnt. Kein Filipino würde diese Frage auch nur stellen!
Schliesslich besteht da ein Riesenunterschied zwischen Überleben und finanzieller Absicherung, wie wir Schweizer uns dies gewohnt sind. Tatsache ist, wer seinen Traum wahr machen will, sein Queue packt und das Flugzeug besteigt, um dahin zu gehen, wo die Action ist, wird sich zwar vielleicht eine blutige Nase holen, und am Ende in unseren schönen Wohlstands-Staat zurückkehren müssen, um ein konventionelleres Leben zu führen, aber verhungern tun wir privilegierten Schweizer nicht so leicht!
Das obengenannte Szenario scheint mir unendlich viel besser, als es nie versucht zu haben. Ich selbst bin vor über zwei Jahrzehnten aus Amerika nicht etwa desillusioniert zurückgekehrt, weil man vom Poolspiel nicht hätte leben können, sondern weil mir der Lebensstil nicht zusagte.
Damals galt nämlich noch wirklich genau die von Dir angesprochene Sorge, Tag für Tag von der Hand in den Mund zu leben - was mit Ausnahme der damaligen Nummer 1 Nick Varner und maximal einem halben Dutzend anderer Profispieler alle taten. Varner etwa hatte 1989 das vielleicht sportlich erfolgreichste Jahr, das jemals ein professioneller Poolspieler hatte: er gewann 10 (oder waren's sogar 11?) der 14 Profititel - und schaffte es dennoch nicht über ein Gesamtpreisgeld ca. 150'000 Dollar, als er Ende Saison diskussionslos zum Spieler des Jahres gekührt wurde! Dass nur schon der Ranglisten-Vierte damals nicht am Hungertuch nagte (der schaffte es nur noch knapp auf einen fünfstelligen Betrag), mag wie ein Wunder erscheinen - ausser man ist sich im Klaren darüber, dass die wahre Rubel bei den Zockern rollte.
Das war eine ganz eigene, und keine heile Welt, im Gegenteil, ein Milieu, in dem man sich wohl fühlen musste - und das tat ich nicht (= ich habe schon immer das Spiel mehr geliebt als das Drumherum). Da ging es nicht vorrangig darum, ein talentierter und/oder gewissenhaft trainierender Spieler zu sein, sondern entweder ahnungslose Opfer zu finden, und/oder zum eigenen Vorteil ausgeklügelte Handicaps auszuhandeln - und natürlich einen sogenannten "Backer" zu haben, der dafür sorgte, dass der Verlierer am Ende auch bezahlte (und ein sensibler Mensch wie ich würde nicht immer wissen wollen, wie...), der aber für sich selbst keinen allzu grossen Anteil am Kuchen forderte. Denn Tatsache war, dass gerade die allerbesten Spieler keine Gegner fanden, die wie in den hübsch farbigen Hollywood-Filmchen nur darauf warten, ehrfürchtig einen fetten Stapel Banknoten rüberzuschieben - im Gegenteil, Spieler wie Efren Reyes, José Parica, Buddy Hall oder Earl Strickland kämpf(t)en gegen Handicaps an, die Frau Holle's Goldmarie hätten aussehen lassen wie Meister Proper.
Heute, wo Billard zumindest untergeordnete Medienpräsenz geniesst, wo weltweit hunderte, wenn nicht tausende von Spitzenspielern bereits (teils vielleicht mehr schlecht als recht - aber ich sag ja, Ansprüche runterschrauben!) ihren Traum leben, und man nicht mehr gleichsam dazu gezwungen ist, andere über den Tisch zu ziehen (im Billard historisch betrachtet ein Phänomen, das in der Grossen Depression von 1929 seinen Anfang nahm), ist das alles nicht mehr halb so schlimm, allein schon deshalb, weil das moderne Mekka des Poolbillardsports jetzt im asiatischen Raum liegt. Da kenne ich mich zwar nicht aus, kann aber jedem jugendlichen Träumer nur ermutigend zurufen: auf geht's...!
师父
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